Ich hab mal mit einer neuen Geschichte angefangen, weil mir zu meiner anderen im Moment nichts einfällt. Die Idee kam mir nachts auf einem Friedhof (ja, ich gehe gerne spät spazieren). Ich weiß, ziemlich makaber, aber ich wollte mal hören, was ihr davon haltet.
- Mord:
- Mord
Die Gasse war düster und leer, die flackernde Straßenbeleuchtung erhellte sie nur notdürftig. Viele male schon war ich sie entlang gegangen, aber in dieser Nacht war etwas anders. Die hohen, verlassenen Häuser links und rechts von mir schienen näher zusammen zu rücken und mich unheilvoll anzustarren. Das Tor einer längst vergessenen Lagerhalle stand weit offen wie ein zahnloses Maul, das im nächsten Moment den Weg vor mir verschlingen wollte. Meine schnellen Schritte hallten unheilvoll zwischen den grauen Wänden, ansonsten war kein Laut zu hören. Ich konnte mir einen spitzen Schrei nicht verkneifen, als aus einem dunklen Winkel eine Katze hervorsprang und mir vor die Beine lief. Dann war es wieder still.
Ich zog den Reisverschluss meiner Jacke zu und ging schneller. Diese Gegend verlassen, das war mein einziges Verlangen. Gerade noch war es hell warm und freundlich gewesen und jetzt war ich hier, in dieser unwirtlichen Gegend, mir war kalt und…ich hörte etwas. Ja, da war in der Ferne eine Stimme, leise war sie, für normale Ohren fast nicht zu verstehen, doch ich hatte Meine schon lange trainiert und oft auf leise Dinge gehört. Jemand sprach und das war mir unheimlich. Normalerweise war nachts in dieser gottverlassenen Gegend niemand anzutreffen, es sei denn- ja es sei denn er oder sie war verrückt oder tat etwas, was man vor anderen verbergen musste. Ich trieb mich wohl aus ersterem Grund hier herum. Mein Vater wollte mich abholen, doch ich war zu eitel dafür, ich musste ja unbedingt allein nach Hause gehen. Die Angst legte ihre kalten Finger immer fester um mein Herz. Ich hastete weiter, die Stimme kam näher. Sollte ich umdrehen? Zurück zu meiner Freundin gehen und meine Eltern anrufen, damit sie mich doch abholten? Nein, sie würden denken, ich würde mich vor der Dunkelheit verkriechen wie ein kleines Kind. Selbst jetzt noch trug meine Eitelkeit den Sieg davon. Oh hätte ich doch nur auf meinen Verstand gehört.
Immer näher kam ich der Stimme. Nein, es waren zwei. Die eine gehörte einem Mann, er sprach herablassend und selbstsicher, die andere wurde eindeutig von einer Frau ausgestoßen, sie sprach flehend, keuchte zwischen den Worten.
„Du weißt, dass ich es tun könnte, also sag mir, warum sollte ich es lassen?“
„Bitte, du weißt es ist falsch, wir können das anders hinbekommen.“
Was war da los? Jetzt wurde ich neugierig. Warum hatte ich nur so viele schlechte Eigenschaften? Eitelkeit, Neugierde, keinerlei Selbsterhaltungstrieb… wenn ich im Nachhinein darüber nachdachte ließe sich die Liste noch um einige Punkte weiterführen.
Ich wurde langsamer und verlegte mich aufs Schleichen. Vor mir mündete eine kleine Seitenstraße in meinen Weg, ich wusste aus eigener Erfahrung, dass es eine Sackgasse war, tagsüber hatte ich mir diese Gegend schon einmal genauer angeguckt. Von dort kamen die bettelnden Worte, die nun eindeutig überhand genommen hatten. An der Kreuzung stand ein überquellender Müllcontainer, als ich ihn erreichte ließ ich mich leise in seinen Schatten gleiten. Vorsichtig lugte ich hervor. Was ich sah ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Im Schein einer schwachen Straßenlaterne stand ein Mann, der eine vor ihm kniende Frau brutal an den Haaren gepackt hielt. Tränen liefen ihr über das schmale, dreckverschmierte Gesicht und aus wässrigen Augen zu ihrem Peiniger auf. Der lachte hämisch.
„Na, was sagst du nun? Wäre es nicht schön, keine Männer mehr, kein Zwang, nur allein in der Stille der Dunkelheit?“ Sein Mund verzog sich zu einem gemeinen Grinsen, die Frau schluchzte nur.
„Wenn du meinst, dass du mich damit erweichen kannst muss ich dich leider enttäuschen“, sagte er immer noch mit diesem Lächeln, dass ich ihm am liebsten mit einem festen Schlag aus dem Gesicht gewischt hätte, doch dazu war keine Zeit. Der Typ hob die Hand. Metall blitzte im schein der Lampe, als er ein langes und sehr scharf aussehendes Messer in der Hand wog. Die Frau hatte aufgehört zu weinen und sah nun voller Angst das Messer an. Noch einmal bewegte sie in einem stummen Versuch den Rasenden zu besänftigen die Lippen, doch dem wahr anscheinend nicht nach weiterem Reden zumute. Er hob den Arm weit über den Kopf und ließ ihn dann blitzartig vorschnellen. Der Schein des blanken Eisens erlosch, als es sich in die Brust seines Opfers bohrte. Ein Schrei entfuhr ihr, als der Mörder es wieder herauszog und das Blut sich seinen Weg nach außen suchte. Es lief über ihre zerrissene braune Bluse und lief dann langsam Tropfen für Tropfen auf die Straße. Es bildete eine Lache und schien den ganzen Weg überfluten zu wollen, als seine ehemalige Besitzerin nach vorne fiel und sich ihre feinen braunen Haare rot färbten.
Ich wollte weg nur weg. Ganz schnell und möglichst lautlos, damit mich dieser grausame Mensch nicht bemerkte. Doch wie es immer in solchen Situationen ist, leistete mein Körper meinen Anweisungen nicht folge. Mit nachlassendem Schock ließ sich ein Aufschrei, der sich bei der Szene in meiner Kehle festgesetzt hatte nicht mehr unterdrücken. Erschrocken hielt ich mir den Mund zu, doch es war zu spät. Der Mann hatte mich bemerkt.
Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich das letzte mal so schnell auf die Füße gekommen war, doch auch der Mörder war nicht langsamer. Schon stand er vor mir. Er war trotz seiner untersetzten und breiten Statur erstaunlich flink und kräftig. Er packte mich an meiner Jacke und hob mich hoch, bis mein Gesicht kaum mehr einen Zentimeter von seinem entfernt war. Ich sah in seine kleinen, blutunterlaufenen Augen.
„Na, hast du uns hinterher spioniert?“, fragte er fast freundlich.
„Und, hat die unser kleines Theater gefallen? Wahrscheinlich willst du jetzt zur Polizei gehen, doch das werde ich leider verhindern müssen, denn ich hatte nicht vor, den Rest meines Lebens im Knast zu verbringen.“
Ich wusste nicht, was mich dazu veranlasste, doch wahrscheinlich war es der Mut derer, die keinen Ausweg mehr kennen. Ich spuckte ihm in sein dreckiges rotes Gesicht.
„Also wirklich, das sind aber keine guten Manieren, dafür muss ich dich jetzt bestrafen, macht man das nicht so, mit aufsässigen Kindern?“, fragte er fast unschuldig. Wieder hob er sein Messer. Diesmal wahr kein Blitzen zu sehen, es war noch verschmiert mit dem Blut seines vorherigen Opfers. Das letzte was ich auf dieser Welt sah, war das Vorschnellen des Armes meines Mörders. Dann spürte ich noch, wie sich das kalte Metall in mein Herz bohrte.
Die Welt wurde dunkler.
Kein Laut wahr mehr zu hören, auch wenn da Geräusche gewesen sein mussten.
Es war als würden mein Körper zerreißen, als die Klinge wieder herausgezogen wurde.
Ich sackte zurück.
Dunkelheit.
Stille.
Totenstille.