Brieffreundschaften
Der vorher noch sonnige Tag neigte sich nun dem Ende entgegen. Ich saß am Lagerfeuer und genoss die letzten Minuten mit meiner neuen Freundin Larissa.
„Aber lass uns doch wenigstens Brieffreundinnen bleiben, ja?“, waren die Abschiedsworte von Larissa und ich stimmte ihr nickend zu. Dann schwiegen wir.
Auf den Tag genau ein Jahr ist es nun her, dass Larissa und ich uns das letzte Mal sahen. Seitdem ist eine Menge passiert. Mein treuer Hund Luca ist zu mir gestoßen. Mit ihm zusammen hat mein Leben eine entschiedene Wendung genommen, viel haben wir miteinander unternommen, ich wurde abgelenkt vom Alltag und von der Schule. Doch es gab eine Sache, die hat mich ganz besonders bewegt, mal abgesehen von meinen Unternehmungen mit Luca. Und das war die Brieffreundschaft, die Larissa und ich zusammen geführt haben.
Larissa ist eine gute Schreiberin. Und eine fleißige. Und ist gut im Gestalten. Und überhaupt ist alles irgendwie toll, was sie macht. Genauso toll wie ihre Briefe. Knallbunt schimmerten diese, in allen Regenbogenfarben. Aber diese Geschichte soll nicht von den Farben von Larissas Briefen handeln, sondern von Freundschaft und Vertrauen.
Wie gesagt ist es nun auf den Tag genau ein Jahr her, seit Larissa und ich uns am Lagerfeuer voneinander getrennt haben, jeder stumm und auf seine Weise. Jetzt gerade sitze ich mal wieder an meinem Schreibtisch und schreibe diese Zeilen. Es ist Nacht, die Leuchtzeiger meiner Uhr zeigen 0:32 Uhr. Meine Eltern schlafen. Natürlich, zu dieser Uhrzeit schlafen alle vernünftigen Leute. Ja, alle vernünftigen. Aber bin ich denn unvernünftig? Bin ich unnormal, nur weil ich mir Briefe schreibe, mit meiner aller besten Brieffreundin die man haben kann, Larissa? Tja, das ist jetzt die Frage. Die meisten Leute schreiben wohl nur noch E-Mails. Elektrische Briefe die nur den Bruchteil einer Sekunde brauchen, um ihren Empfänger zu erreichen. Ja, den Bruchteil einer Sekunde. Und unsere Briefe brauchen einen Tag, das sind viele Sekunden, sehr viele Sekunden. Aber kann man mit so einem Brief nicht etwas viel persönlicheres ausdrücken? Fotos, Briefe, persönliche Handschrift, aber es gibt ja kaum noch Leute, die tatsächlich noch im Besitz einer Feder sind, um handschriftliche Briefe zu schreiben. Oh, mir fällt gerade auf, jetzt labere ich in meinem Tagebuch oder meiner Geschichte ja über verschiedene Handschriften und nicht über die eigentliche Sache zwischen einer wahren Brieffreundschaft.
Seit zwei Wochen hat Larissa mir keinen Brief mehr geschickt. Das ist mir schon vor einer ganzen Weile aufgefallen, und damals am Lagerfeuer hatte sie mir doch gesagt, sollte ich eine Woche mal keinen einzigen Brief von ihr erhalten, sollte ich mir Sorgen machen, ob mit ihr alles in Ordnung ist. Nun, seit sieben Tagen mache ich mir Sorgen und deshalb schreibe ich ihr einen vielleicht nicht besonders langen, aber dafür ziemlich liebevoll gestalteten Brief:
Liebe Larissa,
ich weiß, vielleicht nerve ich dich ja gerade und du hast einfach keine Lust mehr darauf, Briefe zu schreiben. Aber das kann ich mir nicht vorstellen und deshalb frage ich dich: Ist alles in Ordnung? Damals am Lagerfeuer hast du mir gesagt, ich solle mir Sorgen machen, wenn ich eine Woche lang keinen Brief von dir bekomme. Und jetzt mache ich mir Sorgen. Ich bitte dich, antworte mir noch einmal auf diesen Brief damit ich weiß, was mit dir ist und warum du mir nicht schreibst.
Sorgenvolle Grüße, deine Freundin Nina.
Ja, vielleicht klingt so manches in diesem Brief komisch, aber ich mache mir ernsthaft Sorgen und möchte wissen, was mit ihr ist.
Eine weitere Woche später bekomme ich endlich eine Antwort, vor Sorgen wäre ich inzwischen fast geplatzt.
Liebe Nina,
ich habe nicht viel Zeit für diesen Brief, deshalb ist er auch nur so kurz. Meine Eltern wollen nicht, dass ich Kontakt zu dir habe, warum auch immer. Deshalb muss ich ihn heimlich schreiben, es ist gerade Nacht. Ich hoffe, dir geht es gut. Helfen kannst du mir nicht, ich wüsste nicht, wie.
Ganz Liebe Grüße, deine Larissa
Ich sage doch, Larissa kann gut mit Worten umgehen und es macht Spaß, mit ihr Briefe zu schreiben. Doch dieser eine hier, der hat mich echt nachdenklich gemacht. Warum wollen ihre Eltern nicht, dass sie Brieffreundschaft führt? Okay, meine Eltern wollen das auch nicht so gerne, aber Larissas Eltern habe ich als freundlich und verständnisvoll in Erinnerung, auch wenn diese inzwischen getrübt sein kann, schließlich ist es schon wieder ein ganzes Jahr her.
Ich habe jedenfalls nicht lange überlegt und bin ins Flugzeug gestiegen, unten in der Gepäckablage mit hineinschmuggeln habe ich mich lassen, es war ziemlich eng da, aber was sollte ich schon machen.
Jetzt gerade liege ich auf einer Matratze unter Larissas Bett, sie neben mir. Gestern haben wir uns gefunden und natürlich haben wir uns eine Menge zu erzählen. Ihre Eltern hatten mich widerwillig hineingelassen aber geschockt sahen sie aus, als ich plötzlich vor der Tür stand. Unser Briefesleben läuft wieder recht gut ab, aber vielleicht sollte ich euch erst einmal erzählen, wie ich Larissa gefunden habe.
Vom Flugzeug aus bin ich in den Wald gegangen. Dort konnte ich mir aus einem Laubhaufen ein eher schlechtes als rechtes Lager bauen. Dann habe ich Feuer gemacht und versucht, Rauchzeichen zu senden, wie Larissa und ich uns das früher immer vorgestellt hatten. Aber das hat auch nichts gebracht. Und schließlich bin ich eingeschlafen.
Am nächsten Morgen bin ich früh aufgewacht und habe mich wieder auf den Weg gemacht, erst durch den Wald und dann durch die Stadt, wo ich mich durchfragen musste nach Larissa Kremer. Doch keiner kannte sie, es war, als hätte Larissa nie in dieser Stadt existiert. Und deshalb fragte ich nach, wo ich ihre Straße finden könnte und das hat mich hierher geführt, nach langem, langem Suchen. Morgen früh werden wir beide aufbrechen, zu mir nach Hause, und ab dann wird Larissa bei mir wohnen, so dass ihr nie wieder verboten werden kann, Briefe zu schreiben. So hat zwar unsere Brieffreundschaft ein Ende gefunden, aber nicht unsere Freundschaft. Ist nicht beides gleich viel Wert?
Der vorher noch sonnige Tag neigte sich nun dem Ende entgegen. Ich saß am Lagerfeuer und genoss die letzten Minuten mit meiner neuen Freundin Larissa.
„Aber lass uns doch wenigstens Brieffreundinnen bleiben, ja?“, waren die Abschiedsworte von Larissa und ich stimmte ihr nickend zu. Dann schwiegen wir.
Auf den Tag genau ein Jahr ist es nun her, dass Larissa und ich uns das letzte Mal sahen. Seitdem ist eine Menge passiert. Mein treuer Hund Luca ist zu mir gestoßen. Mit ihm zusammen hat mein Leben eine entschiedene Wendung genommen, viel haben wir miteinander unternommen, ich wurde abgelenkt vom Alltag und von der Schule. Doch es gab eine Sache, die hat mich ganz besonders bewegt, mal abgesehen von meinen Unternehmungen mit Luca. Und das war die Brieffreundschaft, die Larissa und ich zusammen geführt haben.
Larissa ist eine gute Schreiberin. Und eine fleißige. Und ist gut im Gestalten. Und überhaupt ist alles irgendwie toll, was sie macht. Genauso toll wie ihre Briefe. Knallbunt schimmerten diese, in allen Regenbogenfarben. Aber diese Geschichte soll nicht von den Farben von Larissas Briefen handeln, sondern von Freundschaft und Vertrauen.
Wie gesagt ist es nun auf den Tag genau ein Jahr her, seit Larissa und ich uns am Lagerfeuer voneinander getrennt haben, jeder stumm und auf seine Weise. Jetzt gerade sitze ich mal wieder an meinem Schreibtisch und schreibe diese Zeilen. Es ist Nacht, die Leuchtzeiger meiner Uhr zeigen 0:32 Uhr. Meine Eltern schlafen. Natürlich, zu dieser Uhrzeit schlafen alle vernünftigen Leute. Ja, alle vernünftigen. Aber bin ich denn unvernünftig? Bin ich unnormal, nur weil ich mir Briefe schreibe, mit meiner aller besten Brieffreundin die man haben kann, Larissa? Tja, das ist jetzt die Frage. Die meisten Leute schreiben wohl nur noch E-Mails. Elektrische Briefe die nur den Bruchteil einer Sekunde brauchen, um ihren Empfänger zu erreichen. Ja, den Bruchteil einer Sekunde. Und unsere Briefe brauchen einen Tag, das sind viele Sekunden, sehr viele Sekunden. Aber kann man mit so einem Brief nicht etwas viel persönlicheres ausdrücken? Fotos, Briefe, persönliche Handschrift, aber es gibt ja kaum noch Leute, die tatsächlich noch im Besitz einer Feder sind, um handschriftliche Briefe zu schreiben. Oh, mir fällt gerade auf, jetzt labere ich in meinem Tagebuch oder meiner Geschichte ja über verschiedene Handschriften und nicht über die eigentliche Sache zwischen einer wahren Brieffreundschaft.
Seit zwei Wochen hat Larissa mir keinen Brief mehr geschickt. Das ist mir schon vor einer ganzen Weile aufgefallen, und damals am Lagerfeuer hatte sie mir doch gesagt, sollte ich eine Woche mal keinen einzigen Brief von ihr erhalten, sollte ich mir Sorgen machen, ob mit ihr alles in Ordnung ist. Nun, seit sieben Tagen mache ich mir Sorgen und deshalb schreibe ich ihr einen vielleicht nicht besonders langen, aber dafür ziemlich liebevoll gestalteten Brief:
Liebe Larissa,
ich weiß, vielleicht nerve ich dich ja gerade und du hast einfach keine Lust mehr darauf, Briefe zu schreiben. Aber das kann ich mir nicht vorstellen und deshalb frage ich dich: Ist alles in Ordnung? Damals am Lagerfeuer hast du mir gesagt, ich solle mir Sorgen machen, wenn ich eine Woche lang keinen Brief von dir bekomme. Und jetzt mache ich mir Sorgen. Ich bitte dich, antworte mir noch einmal auf diesen Brief damit ich weiß, was mit dir ist und warum du mir nicht schreibst.
Sorgenvolle Grüße, deine Freundin Nina.
Ja, vielleicht klingt so manches in diesem Brief komisch, aber ich mache mir ernsthaft Sorgen und möchte wissen, was mit ihr ist.
Eine weitere Woche später bekomme ich endlich eine Antwort, vor Sorgen wäre ich inzwischen fast geplatzt.
Liebe Nina,
ich habe nicht viel Zeit für diesen Brief, deshalb ist er auch nur so kurz. Meine Eltern wollen nicht, dass ich Kontakt zu dir habe, warum auch immer. Deshalb muss ich ihn heimlich schreiben, es ist gerade Nacht. Ich hoffe, dir geht es gut. Helfen kannst du mir nicht, ich wüsste nicht, wie.
Ganz Liebe Grüße, deine Larissa
Ich sage doch, Larissa kann gut mit Worten umgehen und es macht Spaß, mit ihr Briefe zu schreiben. Doch dieser eine hier, der hat mich echt nachdenklich gemacht. Warum wollen ihre Eltern nicht, dass sie Brieffreundschaft führt? Okay, meine Eltern wollen das auch nicht so gerne, aber Larissas Eltern habe ich als freundlich und verständnisvoll in Erinnerung, auch wenn diese inzwischen getrübt sein kann, schließlich ist es schon wieder ein ganzes Jahr her.
Ich habe jedenfalls nicht lange überlegt und bin ins Flugzeug gestiegen, unten in der Gepäckablage mit hineinschmuggeln habe ich mich lassen, es war ziemlich eng da, aber was sollte ich schon machen.
Jetzt gerade liege ich auf einer Matratze unter Larissas Bett, sie neben mir. Gestern haben wir uns gefunden und natürlich haben wir uns eine Menge zu erzählen. Ihre Eltern hatten mich widerwillig hineingelassen aber geschockt sahen sie aus, als ich plötzlich vor der Tür stand. Unser Briefesleben läuft wieder recht gut ab, aber vielleicht sollte ich euch erst einmal erzählen, wie ich Larissa gefunden habe.
Vom Flugzeug aus bin ich in den Wald gegangen. Dort konnte ich mir aus einem Laubhaufen ein eher schlechtes als rechtes Lager bauen. Dann habe ich Feuer gemacht und versucht, Rauchzeichen zu senden, wie Larissa und ich uns das früher immer vorgestellt hatten. Aber das hat auch nichts gebracht. Und schließlich bin ich eingeschlafen.
Am nächsten Morgen bin ich früh aufgewacht und habe mich wieder auf den Weg gemacht, erst durch den Wald und dann durch die Stadt, wo ich mich durchfragen musste nach Larissa Kremer. Doch keiner kannte sie, es war, als hätte Larissa nie in dieser Stadt existiert. Und deshalb fragte ich nach, wo ich ihre Straße finden könnte und das hat mich hierher geführt, nach langem, langem Suchen. Morgen früh werden wir beide aufbrechen, zu mir nach Hause, und ab dann wird Larissa bei mir wohnen, so dass ihr nie wieder verboten werden kann, Briefe zu schreiben. So hat zwar unsere Brieffreundschaft ein Ende gefunden, aber nicht unsere Freundschaft. Ist nicht beides gleich viel Wert?